Die Faszination am Bösen - TEIL 1: Ernst Stavro Blofeld und der Prototyp des Superschurken

Das Böse fasziniert uns. In der Realität sind wir freilich froh ihm zu entkommen, doch in der Fiktion können wir einfach nicht genug davon bekommen. Ein Held ist in der Regel nur so gut wie der Bösewicht gegen den er kämpft. 

 
Ernst Stavro Blofeld - gespielt von Donald Pleasence in "Man lebt nur Zweimal" (1967).


Die Filme meiner Kindheit waren James Bond, Star Wars und Indiana Jones. Entsprechend wuchs ich auch mit den ikonischen Bösewichtern dieser Filme und dieser Zeit auf. Da wären Bond-Erzfeind Blofeld, Darth Vader und natürlich die depperten Nazis, die Archäologe Indiana Jones das Leben schwer machen. Der Übersicht halber bleibe ich einmal bei Blofeld, der ähnlich wie Darth Vader zu einer Ikone der Popkultur wurde und mit seinem baigen Anzug und der weißen Perserkatze auf dem Schoß sein Imperium des Verbrechens regiert. Immer mit einem durchtriebenen Plan im Kopf wie er James Bond töten oder zumindest die Weltherrschaft an sich reißen kann. 


Der Kult-Bösewicht wurde in der Popkultur viel zitiert und landete hin und wieder sogar auf den Titelseiten ernsthafter Zeitungen. So bildete die Daily Times vor der US-Wahl 2017 Donald Trump als Blofeld-Verschnitt ab. 

Blofeld ist der mysteriöse Lenker im Hintergrund, der mit seiner Organisation S.P.E.C.T.R.E. (in frühen James Bond Filmen noch als "Phantom" übersetzt) und einer Armee aus Handlangern die Welt in Atem hält. Er ist der Prototyp des modernen Superschurken, so wie Bond den Superagenten erfand. Oft kopiert, selten erreicht. 

Die Wirkkraft von Blofeld zieht sich wie ein roter Faden durch die moderne Popkultur. Als der Komiker Mike Myers 1997-2002 in seinen Austin Powers Filmen mit seiner Blofeld-Parodie "Dr. Evil" ähnlichen Erfolg erzielte wie das Original aus dem Bond-Universum, mit dem entscheidenden Unterschied, dass Dr. Evil ein wahnsinniger Trottel und Stümper ist, dem die Weltherrschaft in der Regel durch pure Blödheit misslingt. Blofeld hingegen leidet an der maßlosen Selbstüberschätzung mit denen böse Genies halt so hadern. Das Klischee den Plan zu offenbaren, wenn man den Helden in der Falle wähnt stammt nicht von ungefähr. Es ist fester Bestandteil des James Bond Universums. 


Mike Myers in seiner ikonischen Blofeld-Parodie "Dr. Evil"

Was fasziniert uns also so an den Bösewichtern deren ausgeklügelte Pläne immer in letzter Sekunde scheitern? Und überhaupt am Bösen selbst? 

Es geht ja nicht nur darum den Helden zu quälen indem man ihn z.b. mit ausgeklügelten Folterinstrumenten konfrontiert oder schlicht mit dem berühmten roten Knopf, der den Weltuntergang verhindert (oder die Selbstzerstörung auslöst)

Nein, eigentlich wollen wir gern mal den Bösewicht siegen sehen. Nennen wir es Schadenfreude oder Voyerismus. Das wahnsinnige Genie, dass so klug ist, so viele teuflische Pläne ausheckt, U-Boote, Unterwasserstationen, Raumschiffe oder Geheimverstecke in Vulkanen baut, um von dort aus der regulären Ordnung für die der Held steht einfach mal ein Schnippchen zu schlagen. Sei es aus purer Freude am Leid der Gesellschaft oder weil man auf diese Weise jede Menge Kohle machen könnte.

Natürlich, warum ist der geniale Wissenschaftler nicht berühmter Physiker geworden? Oder hätte seine Genialität dem Weltfrieden gewidmet? Ganz einfach: Weil es sonst verdammt langweilig wäre! 

Superschurken leben davon völlig übertrieben, unglaubliche Ressoucen in ausgeklügelte Pläne zu stecken, bei denen der Normalsterbliche nur denkt "Geht das nicht auch einfacher?" 
Der Superschurke liebt die Superlative und zwar in jeder Beziehung. Und wenn James Bond auch dieses Geheimversteck in die Luft sprengt, es warten noch 200 andere. Die Faszination liegt weniger in dem, was der Superschurke mit seinem Tun erreicht (nämlich meistens nichts), sondern was er erreichen könnte mit seiner Vision der Weltherrschaft. Wir lieben diese Art Bösewicht in erster Linie für ihre Durchtriebenheit, auch wenn sie langfristig scheitern müssen. Ein Blofeld der die Weltherrschaft tatsächlich erlangt ist ebenso langweilig wie der Nobelpreisträger. Es ist ein stetiges Scheitern auf hohem Niveau und die ewige Frage "Was tut er jetzt?", denn der Superschurke gibt nicht einfach auf, nur weil der Held seinen x-ten Plan vereitelt hat. Er ist das Stehaufmännchen und kommt einfach immer wieder.

Wie schwer es ist von Seiten der Autoren so einen Superschurken konsequent zu eliminieren zeigen die "Harry Potter"-Bücher sehr gut. Voldemort ist als Superschurke konzipiert und handelt auch entsprechend. Ihn letztendlich umzubringen war eine Aufgabe, der J.K. Rowling nicht gewachsen war, denn wie bringt man einen Bösewicht um, der im Grunde immer die unheilige Nemesis ist und jeder Zeit auf den Plan treten kann? Entsprechend zum fremdschämen ist auch sein Ende, denn Superschurken sind im Grunde nicht zum Sterben konzipiert. Sie können es genauso wenig wie der Superheld. Sie sind dafür da fulminant zu scheitern und Rache zu versprechen damit es in der nächsten Runde des Schlagabtauschs weiter gehen kann. Und außer ihrer Überheblichkeit haben sie in der Regel keine nennenswerte Schwäche. Das war auch bei Harry Potter so. Entsprechend an den Haaren herbei gezogen war Voldemorts endgültiger Tod. Einen Superschurken oder eine Nemesis vernünftig abtreten zu lassen ist für viele Autoren sehr schwierig. Das wäre wie, wenn in Doctor Who plötzlich ie Ikonen wegfallen würden. Und auch diese Serie schaut man hauptsächlich wegen der berüchtigten Gegenspieler. Eine Doctor Who Folge ohne Daleks und Cyberman wäre einfach nicht richtig. Die Bedrohung durch die ewige Nemesis muss bleiben damit es interessant bleibt. Freilich darf der Schurke auch nicht zu oft scheitern damit es nicht lächerlich wird. So taucht Blofeld in James Bond in den 24 Filmen auch nur sporadisch auf. Als Bösewicht selbst schreitet er nur vier Mal direkt zur Tat. Viel öfter muss sich Bond mit seinen Untergebenen auseinandersetzen, immer in dem Wissen, dass Blofeld die Finger im Spiel hat. 


Der moderne Blofeld in "Spectre" - gespielt von Christoph Waltz


Der Superschurke macht nur Spaß wenn er gewitzt und verdeckt agiert, selten direkt auftritt und dann mit einem Paukenschlag. Letzteres war das Hauptproblem des letzten James Bond Films "Spectre". Der neue Blofeld wirkte da weder Überlegen noch gefährlich. Er war einfach nur ein langweiliger Spießer mit Ambitionen zum Informationsverkauf. Die angestrebte Moderniserung Blofelds ging so gehörig nach hinten los.

In diesem Zuge fragt man sich, ob der Superschurke noch zeitgemäß ist. Die zahlreichen Marvel-Verfilmungen beweißen, dass Superschurken noch durchaus beliebt sind. Das Problem ist die Bindung zum Zuschauer. Ein Superschurke muss ebenso mühsam aufgebaut werden wie ein Held. Ohne ihn fehlt ein wichtiges Herzstück der Geschichte. Der Held braucht seine Nemesis ebenso wie andersherum. Und ohne einen guten Schurken ist der Held ebenso wenig wert. Es ist das Zusammenspiel beider Charaktere, was den Spaß und Faszination ausmacht. Ohne diese, kann man den Showdown vergessen. So einfach ist das.